Am nächsten morgen pfeift der Wind, es hat keine 10 Grad und ab und zu nieselt es. Ist das Afrika oder Island? Ein offenes Geländefahrzeug zuckelt heran und es entsteigt und älterer Herr mit Schlapphut, ein Relikt aus dem alten Rhodesien wie aus dem Bilderbuch. Norman soll uns zu den White Rhinos führen, dem Breitmaulnashorn. Im offenen Fahrzeug kommt zu der soliden Grundkälte der Fahrtwind dazu und die Gruppe bibbert, als wir in den Nationalpark einfahren. Eine Weile lang tut sich nichts an der Rhinofront und ich erwähne, dass mich die Situation an unsere letzte Nashorn-Tour in Norwegen erinnert: Auch keine Rhinos und arschkalt... Die Ranger vor Ort haben dann aber doch Nashörner gesichtet und, teils im Auto, teils zu Fuß, nehmen wir die Verfolgung auf.
Wir schreiten zusammen mit einer anderen Gruppe durch die raschelnden Blätter in relativ offenem Gelände.Plötzlich sind sie da.Unglaublich. Zwei Tonnen schwere Überbleibsel aus der Urzeit, so kommt es einem vor. Eine große Mutter mit zwei „kleineren“ Nachkommen grasen und wir nähern uns ihnen bis auf 10 Meter. Sie äsen und lassen sich durch nichts erschüttern.
Die Waffen haben die Ranger nicht etwa, um sie etwaig gegen die Tiere einzusetzen, sondern, gegen Wilderer. Wilderer sind schwer bewaffnet und eröffnen sofort das Feuer, wenn sie ertappt werden. Es gilt dann auch das Gesetz, dass Wilderer sofort getötet werden dürfen. So halbromantisch wie beim Wildschütz Jennerwein verläuft das hier nicht, auch wenn das Endergebnis für den Wilderer dasselbe bedeuten kann.
Die Nashörner hier werden enthornt, um den Wilderern den Anreiz zu nehmen, aber selbst die verbliebenen Hornstummel wären auf dem asiatischen Markt ein Vermögen wert, Nashornhorn hat den höchsten Grammpreis eines Rohstoffs auf der ganzen Welt, heißt es. Und nochmal: Kann man den entsprechenden Herren nicht einfach Fingernägel verkaufen, auf denen sie genüsslich herumkauen können? Aus nichts anderem besteht das Horn, aus Keratin. Kein geheimnisvoller chemischer Stoff, der die Lenden erglühen lässt, es ist nur reiner, unfassbar dummer Aberglaube.
Wir verlassen das Rhinogebiet und fahren zum Grab von Cecil John Rhodes. Er hat die Kolonisierung von Simbabwe vorangetrieben, auch mit ausgeprägten wirtschaftlichen Interessen, gegen Ende seines Lebens aber zum Friedensschluß zwischen verfeindeten Stämmen beigetragen. Norman redet sich in einen Rausch und man mag es mir verzeihen, dass ich vielleicht die korrekte historische Einordnung von Rhodes nicht ganz hinbekomme, weil meine Konzentration nachgelassen hat. Auf jeden Fall trug das frühere Rhodesien seinen Namen und insofern werde ich öfters mit dem Herrn konfrontiert, wenn ein Kunde mit einem Rhodesian Ridgeback meine Praxis betritt. (Einschub: Die meisten Ridgebacks sind große Angsthasen. Es ist mir unbegreiflich, wie sie früher zur Löwenjagd eingesetzt wurden). Ich finde übrigens, dass weiße Simbabwer das am besten verständliche Englisch der Welt reden. Vielleicht entspricht es auch der englischen Sprache aus der viktorianischen Zeit und hat sich hier konserviert.
Das Grab selbst liegt auf einem Hügel mit großen runden Granitfelsen und man hat einen sehr schönen Rundumblick, es wird deshalb auch World´s View genannt. Hier wollte Rhodes begraben werden, verständlich bei der Aussicht. Ob er sie selbst noch genießen kann, darf bezweifelt werden. Das eh schon ungemütliche Wetter potenziert sich hier oben; die Grundkälte gepaart mit Sturm lässt alle frösteln bzw. drängt zu einem relativ schnellen Aufbruch. Die Grabstätte einer 34-köpfigen Vorhut aus der damaligen Zeit bleibt unbesucht. Ich als Island- und Norwegen erprobter Tourist finde es nicht so schlimm, man würde es halt nicht in Afrika erwarten.
Danach begeben uns durch frisch abgebranntes Gebiet zu einer Höhle mit Felszeichnungen. Sie sind unglaublich detailreich und fangen die natürliche Bewegung der Tiere sehr realistisch ein. Sie werden auf 8000-10000 Jahre geschätzt und die Bedeutung ist unklar. Merkwürdig ist, dass die Menschen Kopfbedeckungen tragen, die denen der Ägypter ähneln sollen. In der Höhle ergreift einen schon der Moment, dass unsere Vorfahren vor 10.000 Jahren schon so geschickt in der darstellung der sie umgebenden Fauna waren. In der Gegend gibt es viele dieser Stätten, unser Zeitplan gibt es leider nicht her, weitere zu besuchen.
Im Camp wärmen wir uns erstmal in den Schlafsäcken auf, Abends wird endlich gegrillt, gut schmeckt`s! Als ich Feuerholz vom Duschfeuer hole, schreit Clinton plötzlich und ich lasse den Stapel fallen-er hat einen Skorpion gesehen. Ich auch ganz kurz, der war ja winzig, maximal 2 Zentimeter. Ich dachte, die seien viel größer. Er untersucht das Holzstück, findet ihn aber nicht. Auf meine Frage, was passiert wäre, wenn er mich gestochen hätte sagt Clinton: Das war ein Böser, Minimum Krankenhaus... Wir führen tiefgründige Gespräche über das Leben und gehen zufrieden ins Bett.
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